Autorin: Patricia Mutti
Titelbild: Eine 4,5-Zimmer-Wohnung mit fünf Betten wird im Zentrum von Interlaken als Ferienwohnung vermietet. Bildquelle: Patricia Mutti
Ein Blick zwischen Thuner- und Brienzersee zeigt: Airbnbs boomen und bewegen. Interlaken, Matten und Unterseen ringen nach Lösungen, um als Wohnort als auch als beliebte Feriendestination zu funktionieren. Wenn Einheimische und Touristen Nachbarn sind, kann das nicht nur zu Austausch, sondern auch zu Herausforderungen führen. Warum das Zusammenleben zwischen Fabienne und den Feriengästen in ihrem Wohnhaus funktioniert und was es bei Katia zum Scheitern brachte.
Katia* hört Motorengeräusche vor dem Haus. Dann poltert es im Treppenhaus: Koffer, die gehievt oder geschleift werden. Einige Strassen weiter kennt Fabienne diese Geräusche auch. Beide wissen, was es bedeutet: neue Airbnb-Gäste reisen an. Manchmal klingelte es auch an Katias Türe: Die Feriengäste fanden die gebuchte Wohnung nicht. Sie war ihre erste Anlaufstelle im Haus, da es nur eine Schlüsselbox gab und die Touristen keinen persönlichen Kontakt zu den Airbnb-Vermietern hatten. Bei Fabienne auch schon passiert, aber seltener, da die Gäste dort persönlich eingecheckt werden und sie die Schlüssel nebenan bei einer Rezeption abholen müssen. Die zwei unterschiedlichen Häuser in Interlaken zeigen verschiedene Vorgehensweisen bei der Vermietung von Airbnbs. Die Gemeinsamkeit: In beiden Häusern wurden Dauerwohnungen zu Ferienwohnungen. Fabienne und Katia wohnten beide in einem Haus mit festen Nachbarn, bis jemand auszog und keine Einheimischen mehr einzogen. Katia las im Anzeiger, dass die Wohnung über ihr neu zur Ferienwohnung werde. Fabienne stellte es selbst fest, als die Wohnung unter ihr mit IKEA-Möbeln eingerichtet wurde. Beide hätten sich eine frühzeitige und transparente Kommunikation von ihren jeweiligen Vermietern gewünscht – diese blieb aus. Erst als Touristen anreisten, wurden sie informiert.
*Name wurde auf Wunsch geändert, richtiger Name bekannt
Was ist das Bödeli?
Die Ebene zwischen Thuner- und Brienzersee wird «Bödeli» genannt. Die Gemeinden Interlaken, Unterseen und Matten befinden sich ganz auf dem Bödeli. Am Rande des Gebiets liegen Wilderswil und Bönigen.
Interlaken auf Rang eins der Airbnb-Suchanfragen
Plattformen wie Airbnb und Booking.com ermöglichen es, dass nicht nur Hoteliers, sondern wir alle Zimmer und Wohnungen an Feriengäste vermieten können. Laut dem Analysetool «AirDNA» werden von Interlaken, über Grindelwald bis Meiringen fast ausschliesslich ganze Wohnungen vermietet. Nur zehn Prozent des Angebots sind einzelne Zimmer. Der Gründungsgedanke von Airbnb: Gästen eine Luftmatratze und ein Frühstück zu bieten, ist von der heutigen Realität weit entfernt. Die «Bödeli»-Region ist begehrt und die Nachfrage nach Betten vorhanden. Interlaken Tourismus meldete für das vergangene Jahr Spitzenwerte. Insgesamt 1,76 Millionen touristische Übernachtungen konnten in den Gemeinden Interlaken, Matten, Unterseen, Wilderswil, Gsteigwiler und Saxeten gezählt werden. Das toppt die Zahlen von 2019 um über sieben Prozent. Auch direkt bei Airbnb wird die Beliebtheit der Region deutlich. Interlaken stand auf Platz eins der Suchanfragen von Schweizer Gästen für den Sommer 2023. Grindelwald rangierte gar unter den Top-Ten der Suchanfragen weltweit. Der Trend von Ferienwohnungen zeichnet sich schön länger ab und wurde von der Pandemie nur unterbrochen. Laut Statistik der Tourismusorganisation Interlaken (TOI) stieg die Zahl der Übernachtungen in Ferienwohnungen bereits von 2017 auf 2018 um über 60’000. Im letzten Jahr verbrachten Gäste rund 207’000 Nächte in Zweitwohnungen der sechs Gemeinden im Vereinsgebiet des TOI.
207’000 Übernachtungen in Ferienwohnungen
insgesamt im 2023
Was für Regeln gelten für Airbnbs in den Bödeli-Gemeinden?



Scheitern und Erfolg des Zusammenlebens
Katia zog vor etwa 1,5 Jahren aus dem Wohnhaus mit den Airbnb-Wohnungen aus. Ihre ehemalige Wohnung ist jetzt auch online buchbar: ab 190.00 Franken pro Nacht. Von Juni bis Ende August ist die Wohnung fast komplett ausgebucht. Damit wird pro Monat mindestens 5’700 Franken Umsatz gemacht. «Es ist ein komisches Gefühl, wir haben damals etwa 1’400 Franken Miete gezahlt», meint die 29-Jährige. Fabienne stört sich hingegen nicht gross an den Airbnb-Gästen, sie ist in ihrer Wohnung weiterhin zufrieden. Das Haus sei ringhörig, sie habe auch vorher die Familie mit Kleinkindern gehört, die fest da wohnte. «Ganz ehrlich, es ist nicht lauter als vorher», meint sie. Wenn es sie einmal wirklich störe, dann gehe sie nach unten und sage etwas. Feste Nachbarn hätte sie trotzdem lieber: «Die würde man kennen und grüssen – sie würden wissen, wo es besonders ringhörig ist und vielleicht mehr darauf achten.»
Ganz ehrlich, es ist nicht lauter als vorher
Fabienne, wohnt oberhalb einer Airbnb-Wohnung
Die Anreisen fielen Katia besonders störend auf. Die Gäste seien teilweise spät angereist und das hätte sie ab und zu geweckt, insbesondere unter der Woche. «Manchmal standen sie vor meiner Türe und dachten, ich bin hier angestellt – dann stellten sie viele Fragen.» Sie habe dadurch auch Privatsphäre verloren: «Es waren viele fremde Leute im Haus, vorher kannte man die Nachbarn halt», beschreibt sie. Die Kommunikation und Beschilderung im Haus sei am Anfang «schlecht» gewesen und mit der Zeit verbessert worden, da hätten sich ihre Vermieter schon bemüht. Katia hätte sich gewünscht, dass die Touristen besser darüber informiert worden wären, dass noch feste Mieter im Haus wohnen: «Dadurch hätten die Gäste vielleicht mehr Rücksicht genommen.» Eine weitere Lösung sieht die junge Interlaknerin im persönlichen Check-in: «Es hätte sicher geholfen, wenn man es den Leuten direkt erklärt hätte.» Zusätzlich findet sie eine Begrenzung der Anreisezeit sinnvoll, da das Hauptproblem für sie gewesen sei. Das Zusammenleben mit Touristen ist für sie gescheitert, sie sei sich weiterhin nicht sicher, ob Ferien und Alltag wirklich in einem Haus funktionieren könnten.
Manchmal standen sie vor meiner
Türe und dachten, ich bin hier angestellt
Katia, wohnte in einem Haus mit Airbnbs
Für Fabienne funktioniert es: «Das Zusammenleben stört mich wirklich nicht», sie sei wegen etwas anderem nicht begeistert über die Airbnbs. Schau dir das Video an und erfahre mehr darüber direkt von Fabienne.
Fabiennes Vermieter sind Thomas Feuz und Bettina Hutmacher, die Interlaken Apartments betreiben. Feuz findet: «Man muss Gastgeber sein wollen und Ferienwohnungen nicht nur als Cashcow sehen.» Darum sei ihnen persönlicher Gästekontakt wichtig. Warum sie auch Wohnungen umnutzten und was es aus seiner Sicht braucht, damit das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Touristen funktioniert, erzählt Thomas Feuz im Video-Interview.
Übernachtungen in Ferienwohnungen in den letzten zehn Jahren
Drei Gemeinden – drei Lösungsansätze
Interlaken sieht seit 2018 die zunehmende Tendenz von Ferienwohnungen und deren negativen Folgen auf das Wohnungsangebot für Dauermieter, sagt Gemeindepräsident Philippe Ritschard. Ende 2018 zog der Gemeinderat mit dem Erlass einer Planungszone die Notbremse, um sich Zeit zu verschaffen zur Ausarbeitung von Regulierungen. Dasselbe geschah wenig später, Anfang 2019 in Unterseen.
Wir können in dem Sinn nicht nachbessern
Philippe Ritschard, Gemeindepräsident Interlaken
In Interlaken traten die Massnahmen durch das angepasste Baureglement 2021 in Kraft. Eine erste Bilanz ist möglich – obwohl der pandemiebedingte Einbruch des Tourismus die Aussagekraft der eingeführten Regulierungen verringere, meint Ritschard. Dennoch sieht die Gemeinde weiterhin Handlungsbedarf: «Der Effekt der Massnahmen ist nicht ganz dort, wo wir uns ihn erhofft haben», sagt der Gemeindepräsident. Im Interview erklärt er, wo die Gemeinde «herumflicken» kann und wo nicht.
Lies das ganze Interview und finde heraus, was Interlaken jetzt machen will ⤵️
Patricia Mutti: Wie ist die heutige Situation mit Airbnbs und Ferienwohnungen in Interlaken?
Philippe Ritschard: Interlaken ist eine sehr beliebte Destination, Reisende aus aller Welt kommen zu uns. Ferienwohnungen sind eine beliebte Beherbergungsform; darum gibt es auch in Interlaken sowohl Private wie Unternehmen, die in dieser Sparte tätig sind. Wir als Gemeinde müssen uns mit diesem Phänomen auseinandersetzen.
Welche Rolle hat die Gemeinde dabei?
Die Gemeinde Interlaken ist grundsätzlich sehr wirtschaftsfreundlich und der Tourismusbranche zugetan. Verständlicherweise, denn das ist unsere Haupterwerbsquelle. Wir versuchen möglichst, die Entwicklungen mit den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung in Einklang zu bringen und eine Balance zu finden.
Kann Interlaken bereits ein Fazit zu den eingeführten Massnahmen ziehen?
Die eingeführten Regelungen hatten nicht ganz die Aussagekraft, weil dazwischen die Pandemie war, wo das Geschäft eingebrochen ist. Aber wenn wir jetzt die Entwicklung anschauen, die wir nach der Pandemie durchleben, sieht man, dass 2023 wieder eine sehr starke Nachfrage da war. Da muss man sagen, sind die Massnahmen vielleicht nicht ganz dort, wo wir uns den Effekt erhofft haben.
Sieht die Gemeinde noch Handlungsbedarf?
Ja, es gibt Handlungsbedarf. Aber die Einführung der neuen Massnahmen ist noch nicht lange her und wir unterstehen dem Grundsatz der Planungssicherheit. Das ist beim Baugesetz eine übergeordnete Vorgabe. An gewissen Massnahmen können wir jetzt nicht «herumflicken», also wir können in dem Sinn nicht nachbessern. Sondern wir müssen unsere Anstrengungen auf andere Bereiche verlagern.
Wo möchte die Gemeinde zukünftig ansetzen?
Alle, die Wohnungen kurzzeitig vermieten, also gewerbsmässig betreiben, müssen eine Bewilligung einholen, auch nachträglich, wenn sie das schon vorher angeboten haben, als es noch nicht bewilligungspflichtig war. Die, die das nicht erledigten, zirkulieren im Moment noch unter dem Radar. An diese heften wir uns jetzt und schauen, dass das in Ordnung kommt. Das ist ein wichtiger Schritt. Denn es gibt Angebote in Interlaken, die qualitativ völlig ungenügend sind. Teilweise werden da Gäste in umgebauten Nebenräumen untergebracht oder es gibt improvisierte Installationen, die sehr bedenklich sind. Denen wollen wir mit intensivierten Kontrollen nachgehen.
Sieht die Gemeinde keine Möglichkeit, die bestehenden Regelungen zu ändern?
Kurzfristig nicht. Wir können innerhalb der Zonen, wo wir Regelungen aufgestellt haben, nicht strenger werden. Es muss eine gewisse Zeit lang gültig sein, damit die Besitzer und Besitzerinnen dementsprechend handeln können. Bauprojekte und Baubewilligung dauern eine gewisse Zeit – das muss einfach beständig sein.
Wir müssen schauen, was das konkret bedeutet und was für wen gilt
Jürgen Ritschard, Gemeindepräsident Unterseen
Die Gemeindeversammlung in Unterseen entschied diesen März über neue Regelungen zu touristischen Vermietungen – die Umsetzung ist in vollen Gang. Die Stimmberechtigten bejahten Erstwohnungsanteile, einen Mindestaufenthalt und die Besitzstandgarantie. Letzteres ist laut Gemeindepräsident Jürgen Ritschard «eines der grössten Maximen unserer Rechtsordnung». Trotzdem sei es momentan noch ein «heikles Problem», das es zu lösen gäbe. Warum es kompliziert ist und warum es für ihn eine «ausserordentliche» Versammlung war, erzählt er im Interview.
Erfahre hier, wie Unterseen Massnahmen für Ferienwohnungen umsetzt ⤵️
Patricia Mutti: Was passierte seit der Einführung einer Planungszone 2019 in Unterseen?
Jürgen Ritschard: Es ist effektiv dann viel länger gegangen, als wir gedacht haben – aus verschiedensten Gründen. Wir haben eine Vorlage ausgearbeitet, die diesen März vor die Gemeindeversammlung gekommen ist. Dort wurden die Regelungen verschärft. Die Planungszone wird im Mai 2024 aufgehoben.
Was wurde der Gemeindeversammlung vorgeschlagen?
Wir haben einen Erstwohnungsanteil von 30 und 50 Prozent in den unterschiedlichen Gebieten vorgeschlagen. Das ist von den Stimmberechtigten verschärft worden auf 50 und 70 Prozent. Weiter gibt es ein Verbot von kurzfristigen Vermietungen in gewissen Zonen, das heisst die Gäste müssen mindestens drei Nächte bleiben. Dann Es stand noch eine Forderung im Raum, die einen Mindestaufenthalt von fünf Nächten forderte. Das wäre für Airbnbs quasi der Tod gewesen. Das wäre eine gravierende Massnahme gewesen. Und da gab es ein Schlüsselerlebnis für mich.
Inwiefern?
Zuerst hat die Gemeindeversammlung die Erstwohnungsanteile verschärft. Dann beim Mindestaufenthalt entschieden die Stimmberechtigten: Nicht verschärften, wir bleiben bei drei Nächten. Es ist wirklich ausserordentlich, dass eine Gemeindeversammlung, die sehr emotionsgeladen war, so differenziert entscheiden konnte. Abgelehnt wurde auch ein weiterer heikler Antrag, der keine Besitzstandgarantie forderte. Für uns war das ein gefährlicher Punkt, da hätten wir sicher jahrelang Gerichtsverfahren gehabt. Die deutliche Ablehnung erstaunte mich auch hier.
Dann hat sich die Bevölkerung gut mit dem Thema auseinandergesetzt?
Ja, von diesem Gesichtspunkt her, war es für mich die beste Gemeindeversammlung meiner bisherigen Amtszeit, also der letzten zwölf Jahre. Da die Leute wirklich differenziert entschieden haben. Sie sind ja nicht mit dieser Materie vertraut, die kompliziert ist, auch wenn man sich oft damit auseinandersetzt.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Entscheid der Gemeindeversammlung wurde publiziert, es gingen keine Beschwerden ein. Die Gemeinde muss als Nächstes Ausführungsbestimmungen erlassen. Das wird zur Herausforderung, da die Meinungen unterschiedlich sind. Aber wir haben jetzt wieder Planungssicherheit. Die Leute können Gesuche für Umnutzungen eingeben, wenn sie sich innerhalb der Erstwohnungsanteile bewegen. Was noch zu definieren ist, ist die Besitzstandgarantie, diese wurde von den Stimmberechtigten garantiert. Da müssen wir schauen, was es konkret bedeutet und was für wen gilt. Besonders für die, die schon vor 2019 Ferienwohnungen vermietet haben. Das ist noch ein heikles Problem, das es zu losen gibt. Der Gemeinderat wird das zusammen mit den Interessengruppen erarbeiten und den Entscheid anschliessend publizieren. Spätestens ab 1. Januar 2025 sollten wir mit der Einführung der Massnahmen so weit sein.
Nachbarn sind die besten Kontrolleure
Lisa Randazzo-Anneler, Gemeindepräsidentin Matten
Bereits vor vier Jahren beschäftigten sich die Stimmberechtigten in Matten mit Regulierungen zur gewerblichen Beherbergung. Diese seien nicht «ganz einfach» zu kontrollieren, meint Gemeindepräsidentin Lisa Randazzo-Anneler. Im Interview führt sie aus, warum die Gemeinde keinen Handlungsbedarf sieht, obwohl es für Einheimische «sehr schwierig» sei, eine Wohnung zu finden.
Im Interview erfährst du, warum Matten keinen Handlungsbedarf sieht ⤵️
Patricia Mutti: Wie ist die heutige Situation mit Airbnbs und Ferienwohnungen in Matten?
Lisa Randazzo-Anneler: Unser Baureglement schreibt vor, dass bei neuen Liegenschaften 50 Prozent der Fläche fest vermietet sein muss. Ich bin zuversichtlich, dass es damit mehr Erstwohnungen geben wird.
Was ist mit Wohnraum in Matten?
Ich bekomme mit, dass es für Einheimische sehr schwierig ist, eine Wohnung zu finden. Es haben sich schon ältere Leute an mich gewandt, da sie nichts fanden. Und eine Freundin von mir, die zwei schulpflichtige Kinder hat und umziehen muss, wird in Matten keine Wohnung finden. Das macht mir alles schon Sorgen.
Auf welchem Weg kontrolliert die Gemeinde die Regulierungen?
Es wird bei uns erfasst und überprüft. Wir müssen laufend dranbleiben, sonst ist es ein grosser Aufwand. Aber es ist nicht ganz einfach, Kontrollen zu machen. Auch das mit der Anzahl Betten ist schlussendlich schwierig zu kontrollieren, wie das eingehalten wird. Aus der Bevölkerung erhalten wir auch vermehrt Rückmeldungen – ich glaube, Nachbarn sind die besten Kontrolleure.
Sind die eingeführten Massnahmen für die Gemeinde ein Dilemma?
Nein, finde ich nicht. Der 50 Prozent Erstwohnungsanteil ist für Matten gut, denn so machen wir etwas, damit es mehr feste Wohnungen gibt. Wir wollen auch, dass Einheimische hier wohnen können. Bei der neuen Raiffeisen-Überbauung suchten wir das Gespräch – und dort wird es jetzt nur Erstwohnungen geben.
Kann Matten bereits ein Fazit zu den eingeführten Regulierungen ziehen?
Ich glaube, wir fahren gut mit der Regelung. Es wird momentan ziemlich gebaut in Matten. Damit wird es in Zukunft mehr Erstwohnungen geben. Die Leute, die gegen Airbnbs sind, werden immer sagen, dass es zu wenig ist. Wir als Gemeinde sind aber nicht gegen den Tourismus, wir leben davon. Es ist ein Kompromiss: Man macht etwas für die Einheimischen und trotzdem ist es noch möglich, Airbnb-Wohnungen anzubieten. Man hätte sicher früher etwas machen sollen, da es jetzt ganze Häuser an bester Lage gibt, die rein als Airbnbs vermietet werden – es gilt die Besitzstandgarantie und sie können so weiter machen.
Wo sehen Sie Lösungsansätze?
Ich glaube, dass die Politik gewisse Riegel schieben muss. Damit es nicht möglich ist, ganze Gebäude nur als Ferienwohnungen zu vermieten. Mir ist auch das Gespräch mit den Leuten wichtig. Klar, jeder kann mit seinem Eigentum machen, was er will. Wenn aber Einheimische und Arbeitskräfte keine Wohnungen mehr finden, dann ist das nicht sehr weit gedacht. Das wird auch den Fachkräftemangel für uns verschärfen.
Wohnraum der Gemeinden in Zahlen
Was gibt es für verschiedene Arten von Wohnungen?
-> Erstwohnungen gelten als solche, wenn mindestens eine Person dauerhaft darin wohnt und bei der Gemeinde gemeldet ist.
-> Zweitwohnung sind es, wenn nicht in der Gemeinde gemeldete Personen die Wohnung (zeitweise) nutzen.
-> Touristisch vermietete Wohnungen zählen als Zweitwohnungen. Manche Gemeinden haben eine eigene Kategorie für Zweitwohnungen, die öffentlich vermietet werden – diese müssen auf dem Bödeli auch Kurtaxe zahlen.
Wohnungsumnutzungen fallen auf
Der Tenor klingt bei den Bödeli-Gemeinden ähnlich: sie leben vom Tourismus, viele Arbeitsplätze und Einnahmen werden durch diesen Sektor generiert. Andererseits sind sie unter Zugzwang, da Wohnraum knapper und teurer wird. Das hat Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung und auf Arbeitnehmende der Region. Umnutzungen von Erst- zu Zweitwohnungen gaben in der Bevölkerung zu reden. Diese wurden in Interlaken bewilligungspflichtig und mussten im Anzeiger publiziert werden. Darum lassen sich Umnutzungen dort momentan am leichtesten messen. Das unterstreicht auch Gemeindepräsident Philipp Ritschard: «Die Umnutzungspublikationen haben viel Aufmerksamkeit generiert. Die sind aber nur da, weil Interlaken eben Regeln hat.» Die Gemeinde habe seit 2021 insgesamt 102 Umnutzungen bewilligt. Ritschard ergänzt, dass viele dieser Wohnungen zuvor schon als Ferienwohnungen genutzt worden seien. Da die Umnutzungen auch nachträglich hätten bewilligt werden müssen. Hängig sind Stand 10. Mai noch 46 Umnutzungsgesuche in der Gemeinde. In Unterseen wurden seit 2019 aufgrund der Planungszone keine Umnutzungen genehmigt. Nach der Aufhebung im Mai sei ein Baugesuch für eine Wohnungsumnutzung bei der Gemeinde eingegangen.
102 bewilligte Wohnungsumnutzungen
in Interlaken
Von 2021 bis Mai 2024
Wohnungsnot bei Gastro-Angestellten
Wie zugespitzt die Wohnungsknappheit auf dem Bödeli sein muss, zeigt ein Inserat im Anzeiger Interlaken. André Gribi, Betreiber des Des Alpes Restaurant und des Hotel Merkur in Interlaken, sucht darin nach Wohnungen für seine Angestellten. Seine eigene 5,5-Zimmer-Wohnung oberhalb des Restaurants stelle er bereits als Mitarbeitenden-WG zur Verfügung. Der Wohnraum sei ein «Riesenproblem», denn er sei auf auswärtige Angestellte angewiesen. Vier Leute, die er bereits eingeschult hatte, gingen wieder, weil deren Wohnraum gekündigt wurde. «Das hat mich geärgert», sagt er – aber sein Problem sei jetzt etwas entschärft. Durch das Inserat habe er drei neue Wohnungen gemietet und in einem ehemaligen Hotel hätte er wieder Personalzimmer gefunden. Angesprochen auf Lösungsansätze meint Gribi: «Ich suche die Probleme nicht bei anderen.» Die Hotelbranche auf dem Bödeli habe es verpasst, Lösungen für sich zu suchen. «Wir haben es verpasst, Personalhäuser zu bauen oder zu kaufen», übt er Selbstkritik. Er findet nicht, dass Airbnbs eingeschränkt werden sollten. Er plädiert eher für Förderungen als für Verbote: «Vermieter könnten belohnt werden, wenn sie Wohnungen an Einheimische oder Arbeitnehmende vermieten», schlägt er vor. Mit Blick in die Zukunft sagt er: «Der Airbnb-Boom wird wieder abnehmen, denn Hotels sind heute im Vergleich von Qualität und Preis besser und die Gäste werden das merken.»
Wohnraum ist ein
«Riesenproblem»
André Gribi, Betreiber des Des Alpes Restaurant
und des Hotel Merkur in Interlaken


Patricia Mutti studiert seit 2020 Kommunikation & Journalismus an der ZHAW. Aufgewachsen ist sie am Thunersee, im Berner Oberland und hat als erste Ausbildung eine KV-Lehre im Tourismus absolviert. Daher auch ihr Interesse am Tourismus und an Geschichten, die dort dahinter stecken. Als angehende Journalistin sucht sie bei allem und überall nach dem Warum.