Alte Fahrzeuge mit neuen Technologien ausstatten: Mit dem sogenannten Retrofit fangen in der Schweiz nur wenige Menschen etwas an. Denn es ist teuer und zeitintensiv. Trotzdem widmet sich ein Vater-Sohn-Projekt im Seeland genau dem. Mit Erfolg.

Autorin: Sabeth Schaad
Titelbild: Der Klassiker unter den Jaguaren erhält einen Elektroantrieb und läuft mit 126 Volt.
Bildquelle: Elias Burkhalter

Leise fährt der rote Jaguar in die Tiefgarage, von Motorengeräuschen keine Spur. Nur das feine Surren einer Batterie ist zu hören. Kurz vor dem letzten Parkfeld bremst er ab, die Tür geht auf und Felix Stoffel steigt aus. Der 65-Jährige trifft sich heute mit seinem Sohn Simon Jeger. Die beiden arbeiten an ihrem Projekt, zwei Oldtimer auf Elektroantrieb umzubauen.

Obwohl in der Schweiz ein Trend hin zu Autos mit Elektroantrieb besteht, ist der Umbau von fahrtüchtigen Verbrennern unüblich. Dieses sogenannte Retrofitting ist teuer und zeitintensiv. Insbesondere bei historischen Fahrzeugen gibt es in der Schweiz nur wenige Personen, die einen Umbau anbieten. Wer seinen Oldtimer für die elektrische Umwandlung in eine spezialisierte Garage bringt, muss mit Gesamtkosten von rund 200’000 Schweizer Franken rechnen und einer Zeitspanne von einem Jahr.

Sie bauen nur am Wochenende

Während Stoffel mit seinem Jaguar bereits rumkurvt, befindet sich das Auto von Jeger noch im Umbau. Auf dem hintersten Parkfeld einer Einstellhalle in Aarberg liegt der silberne Jaguar, gestützt auf vier Sockeln. Dahinter stehen Tisch und Bank überfüllt mit Kartonschachteln, Werkzeugen und Kabeln. Es ist die Mini-Werkstatt von Simon Jeger und Felix Stoffel.

Seit mehr als fünf Jahren arbeiten Vater und Sohn an dem gemeinsamen Projekt. Daneben sind sie beide zu 100% arbeitstätig. Stoffel hat eine Führungsfunktion auf dem Militärflugplatz in Payerne und Jeger doktoriert an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne auf dem Gebiet der Robotik.

Sie ziehen sich ihre Arbeitsanzüge an und los geht’s. Das heutige Ziel: Alle eingebauten Batterien richtig einstellen, um den Elektromotor ein erstes Mal in Betrieb zu nehmen. Bald merken sie, es will nicht funktionieren. Die Problemsuche beginnt.

Raum- und Gewichtsverhältnis muss stimmen

Insgesamt sind 120 Batterien im Auto verbaut. Immer vier zusammen bilden ein Päckli, bei dem die Temperatur sowie die Stromspannung justiert werden kann. Die richtigen Einstellungen sind wichtig, damit der laufende Motor nicht überhitzt. Die grössten Herausforderungen beim Einbau der Batterien stellen das Gewicht und der Platz dar. «Wenn das Raum- und Gewichtsverhältnis nicht stimmt, kann man das Auto nie beim Strassenverkehrsamt vorführen und das ist schade», sagt Stoffel.

Stoffel und Jeger entschieden sich für den Umbau eines Jaguar E-Type 2+2. Über einen Garagisten aus Flamatt importierten sie zwei dieser ikonischen Fahrzeuge. Einmal einen roten Jaguar mit Baujahr 1969, Serie 2 und für Jeger der silberne Jaguar aus dem Jahr 1967, Serie 1.5.

Die Idee des gemeinsamen Projekts stammt von Simon Jeger. Er wollte unbedingt eine technische Herausforderung mit seinem Vater angehen. Wie die Zusammenarbeit gelungen ist und ob sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, erzählen die beiden in der Audio-Slide-Show.

Umsetzung: Sabeth Schaad
Fotografie: Elias Burkhalter

In der Garage geht es noch nicht weiter, der Motor will partout nicht starten. Stoffel holt sich telefonisch Hilfe bei Andreas, auch er ist involviert im Projekt.

Der Dritte im Bunde

Als die Idee von Stoffel und Jeger vor einigen Jahren an Gestalt annahm, zogen sie Andreas Weibel hinzu. Auch er interessiert sich für die Elektrifizierung von Fahrzeugen und brachte einen VW T2 Bus mit. Zudem besitzt er als Garagist einerseits den Platz und andererseits das Know-How für das Projekt. Insgesamt bauen die drei Seeländer also drei Oldtimer um. So benennen sie ihr Projekt auch «Triamp». «Tri» steht für die Zahl 3 und «Amp» wie Ampere soll auf den elektrischen Antrieb hinweisen. Der Umbau des VW T2 ist bereits erfolgreich abgeschlossen.

Da der rote Jaguar von Stoffel bereits fahrtüchtig ist, muss er immer wieder als Versuchskaninchen hinhalten. Motorhaube aufklappen, Batterieboxen aufschrauben und los geht der Vergleich der Innenteile mit den Fehlerhaften des Silbernen. Mit dem Laptop neben sich prüfen Jeger und Stoffel mögliche Unterschiede, fündig werden sie aber noch nicht.

Pure Nostalgie – diese Oldtimer kennt die ganze Welt

  • VW Käfer (1965): Eines der beliebtesten und meistverkauften Autos der Welt. Bildquelle: Wikipedia, User: Vwexport1300



Niederländischer Motor und Schweizer Gehäuse

Praktisch alle benötigten Teile für den elektrischen Antrieb sind von dem niederländischen Hersteller EV Europe produziert. Stoffel und Jeger konnten dem Autotyp entsprechend ein vollständiges Kit für den Antrieb bestellen. Das kostet rund 30’000 Schweizer Franken.

Nicht nur die Einzelteile für den elektrischen Antrieb, sondern auch das Gehäuse der Batterien mussten Stoffel und Jeger extern bestellen. In hunderten von Arbeitsstunden erstellte Jeger ein CAD-Modell des Autos. Mit diesem digitalen 3D-Modell konnten sie das Innenleben des Wagens neu ausgestalten und entsprechend die Produktion der Boxen in Auftrag geben. Dazu arbeiteten sie mit der Lysser Metallbearbeitungsfirma Ray-Cut zusammen.

In der Tiefgarage ist wieder das Klicken des Startknopfs zu hören. Darauf sollte das Summen der Batterie folgen, doch es bleibt still. Erneut gehen Stoffel und Jeger die Batterie-Anleitung Schritt für Schritt durch.

Leistungsstärker als Jaguar’s offizieller Retrofit

Obwohl sich das Projekt in die Länge zieht, manchmal Frust mit sich bringt und viele Nerven braucht, freuen sich Stoffel und Jeger ab dem Ergebnis des ersten Jaguars. «Wenn ich das Auto ansehe, sehe ich das Projekt dahinter – ein Herzensprojekt», sagt Jeger.

Der Oldtimer fährt mit 53 Kilowattstunden, damit kann er eine Distanz von 300 Kilometern zurücklegen, ohne die Batterie aufzuladen. Das ist ein ausserordentliches Ergebnis. Als Vergleich: Im Jahr 2018 elektrifizierte der Autoproduzent Jaguar einen eigenen E-Type, dieser verfügt über eine Reichweite von 270 Kilometern.

Zurück in der Garage: Ein letztes Mal versuchen Stoffel und Jeger, den Elektromotor zu starten. Es klickt, die Batterie surrt und endlich beginnen sich die Räder zu drehen. Eine stundenlange Suche nimmt ihr Ende und der silberne Jaguar bald auch seinen Anlauf auf der Strasse.


Trotz Nachhaltigkeitsgedanke: Retrofits sind die Veganer in der Oldtimer-Szene

Simon Jeger und Felix Stoffel stecken nicht nur Geld, sondern auch Zeit und viel Herzblut in die Elektrifizierung ihrer Jaguare. Doch in der Oldtimer-Szene erhalten sie schräge Blicke. Dabei gewinnt Retrofitting europaweit an Bedeutung; Stichwort Nachhaltigkeit. Nur die Schweiz hinkt hinterher.

Oldtimer, soweit das Auge reicht, mitten unter ihnen der elektrifizierte Jaguar von Felix Stoffel und Simon Jeger. Auf dem Gelände der Bicester Heritage in England finden regelmässige Oldtimer-Treffen statt. Auch Stoffel und Jeger besuchen den Event und stellen ihren frisch umgebauten Jaguar aus. Doch sie kassieren verächtliche Blicke. «Einige beschimpfen uns beinahe, dass man dem Jaguar doch keinen Motor ausbauen dürfe», sagt Stoffel. Er verstehe zwar das Anliegen, es kümmere ihn und Jeger jedoch nicht.

Die beiden Seeländer sind vor allem an der technischen Herausforderung interessiert. Und sie streben eine möglichst langfristige Nutzung ihrer Fahrzeuge an. An einigen Orten ist es bereits verboten, mit alten Autos herumzufahren. In Paris herrscht beispielsweise ein Fahrverbot von Montag bis Freitag für Autos, die vor 1997 gebaut worden sind.

Das Retrofitting ist in der Oldtimer-Szene immer noch eine Nische. Wenige Privatpersonen, die genug Geld und Zeit haben, leisten sich einen Umbau. Entweder nehmen sie diesen selbst vor oder geben ihr Fahrzeug in die Hände eines Unternehmens. Davon gibt es ebenfalls nur einzelne in der ganzen Schweiz. Ein serieller Umbau anzubieten ist schwierig, denn es gibt keine Vergleichswerte. Hinzu kommt eine sehr teure Zulassungsprüfung beim Strassenverkehrsamt. Das muss nicht sein. In anderen Ländern ist der Trend Retrofitting bereits weiter fortgeschritten.

Frankreich unterstützt Umbau von Verbrennern

Wer zum Beispiel in Frankreich wohnt und weniger als 24’900 Euro pro Jahr verdient, erhält einen finanziellen Zuschuss an den Umbau seines Verbrenners. Die Höhe der sogenannten Nachrüstungsprämie ist zudem abhängig von der Wohnregion und dem Autotyp.

Ein ähnliches System soll demnächst in Italien eingeführt werden. Personen in einer gewissen Einkommensklasse sollen finanzielle Hilfe beim Kauf eines E-Autos erhalten. Vorausgesetzt, sie haben vorher einen Diesel gefahren und mustern diesen nun aus.

Viele weitere EU-Länder kennen solche Subventionsprogramme. In der Schweiz ermöglichen lediglich elf Kantone Abzüge bei der Motorfahrzeugsteuer für Elektroautos, von der Förderung von Retrofits ganz zu schweigen.

Retrofitting als Alternative

Nicht jeder Umbau von einem alten Auto ist nachhaltig. Ein Projekt wie jenes von Stoffel und Jeger steht eher symbolisch für den Nachhaltigkeitsgedanken. Denn der Import von Oldtimer-Fahrzeugen und die massgeschneidert produzierten Teile wiegen in der Öko-Bilanz wohl schwer. Retrofitting setzt vor allem auf Kreislaufwirtschaft. Bestehende Fahrzeuge umbauen, anstatt neue zu produzieren verursacht weniger graue Energie. Noch besser ist es, wenn Second-Hand-Teile für den Motor und die Batterien genutzt werden.

Im Schweizer Parlament ist kürzlich eine Motion von SP-Nationalrat Bruno Storni angenommen worden. Der Bundesrat soll die strengen Vorschriften für den Umbau von Autos mit Verbrennungsmotoren lockern. Der Bundesrat muss nun einen Bericht dazu verfassen.